Nachgefragt bei Stefan Brupbacher: Wie sieht Sicherheit im Jahr 2023 aus?

Der Krieg in der Ukraine dauert nun schon über ein Jahr. Er weckt unterschiedliche Bedürfnisse, zum Beispiel nach Sicherheit. Doch was bedeutet Sicherheit heute für die Industrie? Stefan Brupbacher, Direktor von Swissmem, steht Rede und Antwort.

Damit eine offene Weltwirtschaft ihre positiven Kräfte entfalten kann, braucht sie gute Rahmenbedingungen. Dazu gehören politische Stabilität und Sicherheit. Internationale Vertragswerke spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie geben Regeln vor und sorgen für Planungssicherheit. Die Pandemie hat zu neuen Restriktionen geführt und Lieferketten unterbrochen.

Die pandemiebedingten Einschränkungen sind inzwischen grösstenteils aufgehoben. Trotzdem stehen wir vor der Herausforderung, unsere wirtschaftliche Teilhabe in einer sich verändernden Welt für die Zukunft zu sichern. Herr Brupbacher, haben die Unsicherheiten durch aktuelle Entwicklungen wie den Krieg in Europa, die Nachwirkungen der Pandemie oder die Sicherung der bilateralen Verträge zugenommen?

Stefan Brupbacher: Die Welt wird immer volatiler, nicht nur wegen des Ukrainekriegs. Die EU und die USA sind im Subventionswettkampf, was beide finanziell ausbluten könnte. Protektionismus befeuert den Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China. Immer mehr Personen gehen von einem Krieg um Taiwan in den nächsten drei bis fünf Jahren aus. Das ist gefährlich und zeigt: Die Welt ist in einer Schieflage.

Auch in der Schweiz nahm die Vorhersehbarkeit der Politik ab: Bei der Diskussion um die Wiederausfuhrbewilligung für Kriegsmaterial verspielt das Parlament seine internationale Glaubwürdigkeit. Das Neutralitätsvölkerrecht kennt keine Wiederausfuhrbewilligung; sie könnte also gestrichen werden. Parteipolitik wird auf dem Buckel der Sicherheits- und Aussenpolitik gemacht. Die Zeche zahlt die Tech-Industrie. Hoffen wir, dass die Politik wenigstens im Verhältnis zur EU die Sondierungsgespräche rasch abschliessen und Verhandlungen beginnen wird. Mit unserem wichtigsten Handels- und Wertepartner Europa brauchen wir Stabilität.

Gerade für die Schweiz, die jeden dritten Franken im Ausland verdient, sind die Zusammenarbeit mit anderen Ländern und geordnete Beziehungen zu wichtigen Handelspartnern von zentraler Bedeutung. Wie können wir sicher Handel treiben und Risiken minimieren? Oder anders gefragt: Was bedeutet für Sie, Herr Brupbacher, Sicherheit im Jahr 2023?

Stefan Brupbacher: In der Pandemie blockierten EU-Staaten zuerst drei Container mit Schutzmaterial für die Schweiz. Rasch erkannte die EU, dass sie sich ins eigene Fleisch schneidet. Denn in unserem Land produzierten zu viele Firmen unverzichtbare Produkte wie Beatmungsgeräte. So wurde die Schweiz in den EU-Gesundheitsmarkt integriert und nicht mehr schikaniert. Das zeigt: Unverzichtbare Produkte sind das beste Pfand für unser kleines Land. Auch bei der Sicherheitsindustrie verfügen wir über Firmen mit unverzichtbaren Produkten. Diese müssen wir pflegen – nicht mit Subventionen, sondern mit Rechtssicherheit bezüglich ihrer Exportchancen.

Generell gilt: je volatiler die Welt, je wichtiger Rechtssicherheit und Zuverlässigkeit. Deshalb fordern wir möglichst viele Freihandelsabkommen. Über Handel und die mehr als 550’000 im Ausland beschäftigten Mitarbeitenden der Schweizer Tech-Industrie können wir am besten unser Wertesystem und die Vorteile der liberalen Demokratien im Ausland vermitteln.

Welches sind für Sie zwei zentrale Punkte, um der Schweizer Industrie Sicherheit zu geben, damit sie weiterhin in die Zukunft investieren kann? Was erwarten Sie vom Staat?

Stefan Brupbacher: Der Staat muss sich aufs Schaffen guter Rahmenbedingungen beschränken: Wir brauchen erstens Fachkräfte dank leistungsorientierten öffentlichen Schulen und Unis, der Berufsbildung und einem flexiblen Arbeitsmarkt. Hierfür benötigt es genügend Geld für Bildung und Forschung. Zweitens brauchen wir Versorgungssicherheit bei der Energie, und zwar zu wettbewerbsfähigen Preisen und nachhaltig produziert. Da müssen die Bewilligungswege massiv beschleunigt und vereinfacht werden nach dem Motto «mehr gesunder Menschenverstand – weniger Juristenstand». Tönt das langweilig? Ja, aber das war für über 100 Jahre das Erfolgsrezept der Schweiz. In einer hyperventilierenden Welt würde Langeweile der Politik guttun.

Welche Rolle spielen neue Gefahren – wie zum Beispiel die wachsende Zahl von Cyberangriffen – für Unternehmen? Wie können Unternehmen die Cybersecurity erhöhen?

Stefan Brupbacher: Cyberkriminalität ist die dunkle Seite der Digitalisierung. Primär sind unsere Firmen gefordert. Sie müssen sich besser schützen und vor allem laufend Mitarbeitende schulen. Bei der Mehrheit fehlt noch die nötige Wachsamkeit. Unsere Firmen befinden sich in einem richtigen Rüstungswettlauf. Investitionen in die Verteidigung sind unumgänglich. Als Verband unterstützen wir die Firmen mit unserer Plattform Industrie 2025. Von der Politik erwarten wir die Ausbildung von Spezialisten – ETH und VBS reagierten zum Glück rasch.

Über die Person

Stefan Brupbacher ist Direktor von Swissmem, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sowie verwandter technologieorientierter Branchen. Er setzt sich ein für eine Politik für Menschen, Jobs und Fortschritt.