Identität und Sicherheit in einer globalisierten Welt nicht verlieren
Bei den Teilnehmer:innen ist die Zustimmung zu der Aussage, dass alle von der wirtschaftlichen Offenheit der Schweiz profitieren, gross. Dies widerspiegelt jedoch nur die Spitze des Eisbergs: Während das Narrativ an der Meinungsoberfläche gut funktioniert, wird es unter der Oberfläche durch zahlreiche Bedenken und offene Fragen geschwächt. Hier ist Klärung und Stärkung notwendig, um den Glauben an und das Vertrauen in die Vorteile der global vernetzten Wirtschaftstätigkeit in der direkten Demokratie der Schweiz auf einem soliden Fundament zu halten. Das Narrativ der wirtschaftlichen Offenheit muss mit neuen Argumenten gestärkt werden, nicht zuletzt, weil sich die geopolitischen Konstellationen verändern.
Spontan und ohne weitere Hintergrundinformationen assoziieren die Teilnehmer:innen eine Vielfalt von Themen mit der wirtschaftlichen Offenheit der Schweiz. Hervorgehoben werden Klima und Umwelt, Welthandel, Konkurrenzdruck und Inflation. Jedes dieser Themen geht mit Sorgen und Ängsten einher: Der globale Handel wird mit schädlichen Umweltauswirkungen verbunden, die Inflation weckt Befürchtungen vor persönlichen Wohlstandsverlusten und der Welthandel vergrössert aus Sicht der Teilnehmer:innen den Konkurrenzdruck auf die Schweizer Wirtschaft und den Arbeitsmarkt.
Sprechen die Teilnehmer:innen auf Basis von Informationen über Chancen und Risiken von offenen Märkten und des internationalen Handels, kommt es zu einem Ausgleich der Positionen. Überspitzt kann von einer Pattsituation zwischen einem Chancen- und einem Risiken-Narrativ gesprochen werden: Der Abbau von Handelshemmnissen ermöglicht der Schweiz aus Sicht der Teilnehmer:innen international den Zugang zu Märkten. Ferner wird die wirtschaftliche Offenheit mit Wohlstand und Sicherheit verbunden, womit ein Chancen-Narrativ konstruiert wird. Im Gegenzug wird die globale Vernetzung der Schweiz aber auch mit Abhängigkeit und Fremdbestimmung gleichgesetzt, mit Verlust an Autonomie und Neutralität sowie hohem Konkurrenzdruck. Dieses Risiken-Narrativ steht dem Chancen-Narrativ gegenüber. In welche Richtung das Stimmungspendel schlägt, wenn sich die Bürger:innen für oder gegen eine Schweiz in der global vernetzten Wirtschaft entscheiden, hängt stark davon ab, was ihnen persönlich im Privaten und der Schweiz als «Familienkollektiv» ein grösseres Mass an Sicherheit bringt.
Werden Menschen gefragt, was sie im Zusammenhang mit dem Thema Wirtschaft und Welt spontan am meisten beschäftigt, so sind es Werte. Allen voran wird der Wert der Gerechtigkeit aufgegriffen, aber auch Werte, die als typische Schweizer Werte verstanden werden (z.B. Neutralität). Bei den Antworten auf die Frage nach den Chancen und Risiken von offenen Märkten und internationalem Handel spielen Werte für die Teilnehmer:innen ebenfalls eine wichtige Rolle. Bezüglich Wirtschaft und Welt und bezüglich der Chancen und Risiken von offenen Märkten werden zwei Gesichtspunkte betont: die Sorge um den Verlust von Werten sowie die Missachtung von Werten. Auffällig ist, dass der Wert der Gerechtigkeit in der informationsgestützten Chancen-Risiken-Diskussion auf dem letzten Rang liegt. Wenn Bürger:innen gefordert sind, Prioritäten zu setzen, rücken die Werte Sicherheit für Land und Leute, Qualität und Innovation ins Zentrum. Es scheint so, als ob Gerechtigkeit nur so lange priorisiert wird, als ihr keine materiellen Gewinne entgegenstehen.
Im Bewusstsein der Teilnehmer:innen sind es vor allem die Konzerne, die in der globalen Wirtschaft Hebelwirkungen erzeugen können. Sie sollen die Verantwortung für die Umsetzung und Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards tragen, moderne Arbeitgeber sein und die Menschen ins Zentrum der Wirtschaftstätigkeit stellen. An die Unternehmen adressieren die Teilnehmer:innen die Erwartung, die Öffentlichkeit transparent zu informieren. Die Verantwortung der Bürger:innen wird vor allem im Kaufverhalten gesehen. Aber auch hier wird den Unternehmen ein grosser Einfluss zugeschrieben, nämlich dann, wenn es um plausible Produktinformationen und faire Preise geht. Für eine nachhaltig gute Wirtschaft steht auch die Politik in der Verantwortung, denn sie soll die nötigen Akzente setzen und kontrollieren.