Carte Blanche von Alexander Keberle, economiesuisse: Klimaschutz und Versorgungssicherheit sind kein Widerspruch
In den nächsten Jahrzehnten kommen mit dem Netto-Null Ziel bis 2050 und der Versorgungssicherheit zwei grosse Herausforderungen auf uns zu.
Zum einen hat sich die Schweiz im Rahmen des Pariser Abkommens international dazu verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu sein. Diese Zielsetzung im nationalen Recht umzusetzen ist Gegenstand des Klimaschutz-Gesetzes, das am 18. Juni vors Volk kommt. Für die Wirtschaft ist dabei klar: Die Schweiz ist Teil der internationalen Gemeinschaft und deren Kampf gegen den Klimawandel, weshalb sich die Wirtschaft schon vor Jahren zum Netto-Null Ziel bekannt hat.
Zum anderen ist auch die Versorgungssicherheit mit sauberem Strom ein unabdingbares Ziel. Der letzte Winter, über welchem bedrohlich das Damokles-Schwert der Strommangellage schwebte, hat uns die Wichtigkeit der Stromversorgung nachdrücklich aufgezeigt. Sauberer Strom ist wie das Blut in den Adern unserer Wirtschaft und Gesellschaft – ohne ihn ist das Erfolgsmodell Schweiz in Gefahr. Und diese Gefahr ist akut, denn um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen wir unsere Stromproduktion bis 2050 verdoppeln. Eine immense Herausforderung.
Entgegen der von Gegnern des Klimaschutz-Gesetzes oft aufgebrachten Behauptung widersprechen sich die Ziele aber nicht. Im Gegenteil: Die Versorgungssicherheit ist Voraussetzung für Klimaneutralität. Ohne Versorgungssicherheit mit sauberem Strom sind jegliche Netto-Null Bestrebungen zum Scheitern verurteilt, denn Dekarbonisierung setzt Elektrifizierung voraus. Umgekehrt bedroht das Netto-Null Ziel aber nicht die Versorgungssicherheit. Fossile Energien, auf die wir beispielsweise bei Benzinautos und Ölheizungen momentan noch zurückgreifen müssen, sind veraltet, ineffizient und teuer. Mit neuen, sauberen und strombasierten Technologien fahren wir langfristig billiger, werden unabhängiger vom Ausland und brauchen gesamthaft sogar noch weniger Energie als heute.
Gegner des Klimaschutz-Gesetzes vermischen diese Ziele jedoch bewusst und spielen diese gegeneinander aus. Denn man muss ehrlich sagen: Selbst wenn wir das Netto-Null-Ziel ablehnen würden, könnten wir uns den globalen technologischen Entwicklungen nicht entziehen. Selbst wenn man sich überhaupt nicht für den Klimaschutz interessiert, sollte man sich nicht der Illusion hingegeben, dass mit einem Nein zur Vorlage das Thema Versorgungssicherheit vom Tisch wäre.
Der Ansatz der Gegner ist daher verfehlt. Statt die Netto-Null Zielsetzung aufzugeben, was der Versorgungssicherheit nichts bringt, sollten wir uns endlich um die Versorgungssicherheit selbst kümmern, welche auch Netto-Null ermöglicht. Oder in anderen Worten: Lieber zwei Fliegen mit einer Klappe als keine Fliege mit keiner Klappe.
Alexander Keberle ist Mitglied der Geschäftsleitung von economiesuisse und Bereichsleiter Infrastruktur, Energie und Umwelt. economiesuisse ist der Dachverband der Schweizer Wirtschaft.